Nuku Hiva

 

Am Tag nach unserer Ankunft lernen wir Janneke und Wietze kennen. Die beiden Holländer, deren Weg in den Pazifik rund Kap Horn führte, planen gerade eine geführte Inseltour und fragen, ob wir Interesse haben. Natürlich haben wir das und so erkunden wir schon ein paar Tage nach unserer Ankunft die größte Insel der Marquesas. Hat es am Tag vor unserem Ausflug noch ununterbrochen in Strömen geregnet, bleiben wir halbwegs trocken. Das ist auch gut so, da wir leider die extra bereit gelegten Regenjacken vergessen haben einzupacken. Was wir zum Glück nicht vergessen haben, ist Repellent (Mückenschutz), das wir im Laufe des Tages mehrfach benötigen werden.

Die Bucht von Taiohae ist, wie die anderen südlichen Buchten auch, Teil eines Vulkankraters. Die äußere den Krater umgebende Südhälfte ist schon vor ewigen Zeiten in sich zusammen gesunken. Hier liegen die meisten Schiffe, die Nuku Niva einen Besuch abstatten. Taiohae ist der Hauptort der Insel und mit drei kleinen Supermärkten, der beste Ort zur Proviantierung. Zwei Restaurants in unmittelbarer Hafennähe bieten zudem das für Segler so kostbare Internet kostenlos an. Außerdem befindet sich in Taiohae die Gendarmerie, bei der die Einklarierung erfolgt.

 

Bucht von Taiohae – Findus ist das dritte Schiff von links in der ersten Reihe

 

Durch sattes grün geht es zu den Sehenswürdigkeiten der Insel. Diese sind vor allem heilige Stätten, an denen früher Menschenopfer erfolgten. Sieben Stück gibt es davon auf der Insel. Die Opferplätze wurden mit rötlichen Steinen umrundet um zu signalisieren, dass dieser Ort Tabu ist. Wir posen fröhlich vor einem gewaltigen Banyan-Baum um kurz darauf zu erfahren, dass er eine ganz besondere Geschichte hat: Auf der Rückseite dieses Baums befindet sich eine natürliche Kuhle, in der Menschen an Händen und Füßen gefesselt gefangen gehalten wurden, bis sie geopfert wurden. Nach der Enthauptung wurde der Kopf an den Baum gehängt und der restliche Körper verspeist.

 

Lächelnde Unwissende

 

Opferhöhle

 

Als Opfer wurden vornehmlich Mitglieder verfeindeter Stämme aus anderen Teilen der Insel genommen. Waren keine Gefangenen zur Hand, traf es Mitglieder der eigenen Gemeinschaft, deren Wert als nicht zu hoch eingestuft wurde. Grund für das Erbringen von Menschenopfern und den Kannibalismus war wohl eine zu große Bevölkerung mit zu geringen Ernährungsmöglichkeiten. Der letzte nachgewiesene Fall von Kannibalismus war übrigens im Jahr 1907.

 

Bis zum Erscheinen der Missionare gehörte es zur Kultur der Marquesaner. sich von Kopf bis Fuß tätowieren zu lassen. Die Missionare verboten das Tätowieren und beraubten die Marquesaner damit eines Großteils ihrer Kultur. Die Bedeutung der einzelnen Muster, die die persönliche Geschichte der jeweiligen Person erzählte, ist überwiegend verloren gegangen. U.a. hat sich der deutsche Ethnologe Karl von den Steinen in den 1920er Jahren mit den Tätowierungen befasst und so dazu beigetragen, dass wenigstens der Sinn vereinzelter Symbole überliefert werden konnte. So ließ sich unter anderem ablesen, wie viele Ehefrauen ein Mann hatte, oder aber auch, wie viele Ehemänner eine Frau hatte.

 

Kartographie von Tätowierungen – links im Bild ein Werkzeug zum Einschlagen von Schädeln

 

Heute ist die Tradition der Tätowierung wieder allgegenwärtig. Häufig sind komplett tätowierte Arme und Beine und gelegentlich auch tätowierte Gesichter zu sehen. Die mit solch großflächigen Tätowierungen oftmals verbundene kriegerische Wirkung ist bei den Bewohnern Nuku Hivas glücklicherweise nicht zu spüren. Die Menschen sind freundlich und auch die Landschaft erscheint friedlich und in sattem Grün.

 

Landschaft Nuku Hivas

 

Vereinzelt sind Tikis, die Götterfiguren, zu finden. Die gut erhaltenen Originale stehen allerdings weltweit verstreut in Museen, unter anderem in Berlin. Die Tikis, die wir sehen, sind überwiegend während eines Kunstfestivals entstanden.

 

Tikis

 

Natürlich gehört zu einem solchen Ausflug auch ein Restaurantbesuch. Wir kehren in dem kleinen Dorf Hatiheu ein und entscheiden uns für eine Spezialität Nuku Hivas: Ziege in Kokosmilch. Sehr lecker, zart und saftig. Doch trotz all des guten Geschmacks ist die riesige Portion nicht zu bewältigen. Unser Guide Richard weiß hier Abhilfe. Auf der rückwärtigen Seite des Restaurants fließt ein kleiner, vom Regenwasser braun gefärbter Fluss in dem Aale leben sollen. Diese will er mit den Essensresten hervorlocken. Zuerst sehen wir nichts anderes als braunes Wasser, aber mit dem ersten Happen, der ins Wasser fällt, wird das Wasser lebendig. Von Restaurantabfällen wohlgenährte Aale kämpfen um die Reste unseres Mittagessens.

 

Aale, Aale, Aale

 

Neben den Opferstätten sehen wir auch restaurierte Plateaus alter Siedlungen. Die Häuser hatten mehrere Ebenen und die Dächer waren so konstruiert, das eine Seite als Wand diente.

 

Rekonstruktion eines Wohnhauses

 

Nuku Hiva bemüht sich sehr, touristisch attraktive Plätze zu schaffen. Trotzdem kommen jährlich nur 10.000 Touristen auf die Marquesas. Hierin eingeschlossen sind auch die Kreuzfahrtschiffe und die Segler. Ein blühendes Geschäft ist mit so kleinen Besucherzahlen nicht zu machen. Viele Arbeitsplätze schafft der Tourismus nicht und auch sonst gibt es nicht viele Alternativen. Wer kann, arbeitet im öffentlichen Dienst z. B. als Gefängniswärter im kleinsten Gefängnis Frankreichs; z.Zt. 3 Insassen. Doch für viele junge Leute heißt es Abschied nehmen von ihrer Heimat um sich eine eigene Existenz aufzubauen.

 

Auch wir nehmen Abschied von Nuku Hiva. Nach einem Zwischenstopp auf Ua Pou geht es weiter zu den südwestlichen Tuamotus, einer Kette von Koralleninseln.