Brille über Bord

 

Nun ist es soweit: Wir haben Tahiti verlassen. Zuerst überlegen wir, die Abfahrt zu verschieben, da das Wetter ziemlich schlecht ist. Aber die Marina füllt sich zunehmend mit Booten der ARC-World, unser Cruising Permit, das wir für die Fahrt zu den sogenannten „Inseln unter dem Winde“ benötigen, enthält das Abreisedatum und von unseren Freunden haben wir uns auch schon endgültig verabschiedet. Also werfen wir in einer Regenpause die Leinen los und machen uns ein letztes Mal auf den Weg nach Moorea. Hier wollen wir auf das passende Wetter für die Weiterfahrt nach Raiatea warten, wo wir Anfang Mai einen Termin in der Werft haben.

Die Fahrt überstehen wir überraschend trocken. Und auch auf unserem Ankerplatz in der Lagoone der Cooks-Bay ist es einigermaßen ruhig. Zunächst jedenfalls. Gegen 3:00 Uhr in der Nacht nimmt der Wind plötzlich zu. Mit bis zu 8 Bft pfeift er in die Bucht. Zum Glück sind wir schon auf, als wir ein unheilvolles Geräusch hören. Binnen Sekunden ist uns klar, dass sich die doppelt gesicherte Fock gelöst hat. Der Wind hat einen Weg gefunden, um in das Segel zu packen und zunächst das obere und dann das untere Tauwerk zum Reißen gebracht. Da keine Schot angeschlagen ist, rollt sie sich von der Furlex. Dadurch nimmt unsere Findus Fahrt auf und der Anker droht auszubrechen. Die Fock kann nur auf dem Vorschiff eingerollt werden und Reinhard spurtet sofort los. Vorher setzt er noch seine drei Monate alte Multifokalbrille auf. Schließlich will er gut gucken können.

Die Kräfte, die auf die Fock einwirken, sind enorm. Der Wind packt immer wieder in das Segel und schließlich schlägt es Reinhard so unglücklich gegen den Kopf, dass die Brille von der Nase fällt. Erst auf das Deck und mit dem nächsten Windstoß ins Wasser.

Nachdem das Segel wieder gebändigt, dreifach gesichert und nun auch mit einer Schot aus dem Cockpit zu bedienen ist, ist der Frust bei Reinhard groß. Wir ankern zwar nur auf 3-4 m Tiefe, aber hinter uns ist ein Abhang, der Steil auf 17 m runter geht. Doch man soll die Hoffnung ja nie aufgeben und so starten wir am frühen Morgen mit der Suchaktion. Der Bereich, auf dem die Brille liegen könnte, beträgt irgendetwas zwischen 316 qm und 500 qm. Wir haben 20 m Kette draußen, aber wir müssen auch Wind und Strömung berücksichtigen.

 

Halbes Suchgebiet

 

Ich bin trotzdem optimistisch, da ich im Licht unserer Decksbeleuchtung immer den Eindruck hatte, dass wir die ganze Zeit wenigstens im flachen Bereich der Bucht waren. Doch trotz systematischen Suchens bleibt die Brille verschwunden. Dafür findet Reinhard einen Teil der Sicherung der Achterliekspannleine (damit kann der hintere Teil des Segels getrimmt werden). Das ist durchaus ein Hoffnung machender Teilerfolg. Schließlich ist das gute Stück nur 7 cm lang und dazu auch noch weiß.

 

Aus dem Pazifik gefischt

 

Getrübt wird die Hoffnung durch den Fundort, der sich direkt an der Kante ins Tiefe Wasser befindet.
Nach zwei Stunden brechen wir ab. Wir planen eine erneute Suchaktion für den Nachmittag, die wir aber wegen des Wetters verschieben müssen. Als dann auch noch ein Katamaran seinen Anker an einer potenziellen Fundstelle fallen lässt, steigt unser Optimismus nicht gerade an.

Am nächsten Tag herrscht Starkwind und das Wasser ist für eine Suchaktion zu aufgewühlt. Erst am Tag darauf sind morgens optimale Sicht- und Windbedingungen. So geht es direkt aus der Koje ins Wasser. Wieder schnorcheln wir systematisch den Bereich ab. Aufgeben liegt mir nicht, aber nach einer Stunde fange ich im Geiste einen Blogtext über die leider auf ewig im Pazifik versunkene Brille an. Da taucht sie plötzlich links in meinem Gesichtsfeld auf. In circa 3 m Tiefe liegt sie unbeschadet auf dem Grund. Danach ist klar, wer heute für das Frühstück zuständig ist.