Wir sind Down Under

Flaggenparade zur Ankunft in Australien

 

Irgendwie freuen wir uns auf den letzten Schlag zur Vollendung der Überquerung des gesamten Pazifiks nach Australien. Immerhin sind das 9.200sm. Allerdings kann von einer Wetterbeständigkeit in dem Seegebiet der Coral Sea nicht die Rede sein. Vorhersagen sind nur für höchstens 2-3 Tage machbar. Und das kann auch daneben gehen. Für uns scheint es ein akzeptables Wetterfenster zu geben und wir starten mit gutem Wind.

Dann müssen wir Gewitterfronten und anschließend einer Flaute ausweichen und den Kurs ändern. Trotzdem ist der Wind zu schwach und die Maschine muss den Wind ersetzen. Wegen der Gegenströmung fahren wir manchmal nur um die 3 Knoten. Wir entscheiden uns für den Landfall in Southport in Queensland/Australien.

Für den letzen Tag kommt dann eine Starkwind-/Sturmwarnung. Es werden 25-30kn Wind vorhergesagt. Das ist nichts besonderes und wir versprechen uns mit einem Winddreher schnelle Überfahrt. Wir können aber mit den Sicherungsarbeiten des Schiffs gar nicht so schnell nachkommen, wie der Sturm zunimmt.

 

Wasser überall

 

 

Es kommt schlimmer. Nachmittags bläst es mit satten 7 Bft. Zunehmend werden die Böen heftiger, Bft. 8 werden erreicht und kurz vor der Dunkelheit lesen wir auf dem Windmesser bei Böen häufig die Windgeschwindigkeit von 50 Knoten (10 Bft.). Noch 40sm bis zur Küste. Es entstehen höhere Wellen mit querlaufenden Windwellen, dazu neben dem südlich verlaufendem Küsten- auch noch Tidenstrom.

Es verabschieden sich nacheinander das Bimini und die Relingskleider. Später bricht der Schäkel von der Großschot und der Baum schlägt in die Achter-Unterwanten. Das Großsegel im zweiten Reff muss runter. Karen hält das Schiff mit hohen Motordrehzahlen im Wind. Ich ersetze den Schäkel durch einen Dynema-Schäkel. Bei den rolligen Bedingungen dauert das mehr als eine halbe Stunde, da ich mich nur liegend auf dem Schiff bewegen kann. Endlich am Mast stehend und gesichert schaffe ich es, das peitschende Segel zu bergen. Die Wellen überspülen das Schiff bis ins Cockpit.

 

Wasser im Cockpit

 

Wir sind durch Lifebelts gesichert und trotz Ölzeug nass bis auf die Haut. Uns wird kalt, da der enorme Wind stark kühlt. Im Schiff zeigen sich die ersten Lecks. Teilweise halten die Fenster- und Lukendichtungen der Wassergewalt nicht stand. Die Betten und Polster sind nass. Der Boden ist rutschig, da das Salzwasser unter dem Schiebeluk seinen Weg unter Deck findet.

Der Anker, der am Bug in die Wellen taucht, zerrt mächtig am Ankerbeschlag und löst diesen immer mehr aus der Befestigung. Dadurch findet das Wasser seinen Weg durchs Vorschiff in die Bilge. Am Sturmsegel lösen sich am Achterliek Nähte auf und der aufgenähte Sonnenschutz vom Segel verabschiedet sich.

Zu Beginn des Ritts machen wir noch Fotos und Videos, doch daran ist wenig später und im Dunkeln nicht mehr zu denken.

Wir haben schon manchen Sturm abgeritten, aber dieser übertrifft in seiner unvorhersehbaren Stärke und seinem schnellen Anstieg unsere bisherigen Erfahrungen.

Den Rest der Strecke fahren wir am Wind nur mit der Sturmfock schräg die Wellen an. Dabei laufen wir unsere Rumpfgeschwindigkeit von 7,3 kn. Je näher wir der Küste kommen, desto ruhiger wird es, da der Wind abnimmt und sich die Wellen nicht mehr aufbauen können. Dafür gibt es noch reichlich Gischt.

Total erschöpft erreichen wir gegen 21.00 Uhr die Hafeneinfahrt und werden einem Liegeplatz zugewiesen, den wir nicht verlassen dürfen, denn die Einklarierung wird erst morgens möglich sein.

 

Überstrapaziertes Bimini

 

Wir trinken noch ein Bier und fallen in den Tiefschlaf.

Früh am Morgen räumen wir das Schiff so gut wie möglich auf und das spätere Einklarieren verläuft wider Erwarten unspektakulär. Die Beamten zeigen Verständnis. Es ist nichts Ungewöhnliches. Viele Yachten geraten hier in das Wetter.

Was haben wir nicht alles für Stories über die Einklarierung gehört. Die drei bewaffneten Officer der Australian Border Force sind aber sehr freundlich, auch wenn sie wirklich alles durchsuchen. Auch der Biosecurity-Officer nimmt alles genau unter die Lupe. Wir freuen uns sehr, von allen Beamten zu hören, dass unser Schiff sehr gepflegt und in einem hervorragendem Zustand sei.

 

Am Einklarierungssteg

 

Nach 1,5 Std. steht fest, dass wir gesund sind, kein Ungeziefer wie Termiten oder Kakerlaken oder gar Mäuse an Bord sind und dass wir keine Drogen schmuggeln. Wir bekommen die Einreisegenehmigung und die nötigen Papiere. Alle drei Monate müssen wir uns nun melden.

Allerdings wird ein Selbstverteidigungsgerät dauerhaft eingezogen. Australien ist auch sehr bemüht, Kontaminierungen u.a. durch Schädlinge in Holz, Gemüse, Obst und Fleisch zu verhindern; es wird alles, was dies auslösen könnte, eingezogen. Da wir so gut wie keine frische Waren mehr an Bord haben, werden lediglich drei Zwiebeln, eine Knoblauchzehe sowie unser Müll mit Gurkenschalen einkassiert und wandern in einen Spezialbeutel, um einer Entsorgung zugeführt zu werden. Die dafür entstehenden Kosten dürfen wir uns mit der Crew von einem weiterem Schiff, welches einen Tag später einklariert, teilen. Wir bezahlen „nur“ 75 AUS $. Bestimmte Medikamente aus unserer Bordapotheke müssen wir dagegen in einem Plastikbeutel aufbewahren, der versiegelt wurde. Unser Unterwasserschiff wurde erst kürzlich neu gestrichen und nicht beanstandet.

Danach dürfen wir zu unserem Liegeplatz an den Steg fahren. Von unseren Nachbarn werden wir sogleich zu einem Geburtstag-Drink eingeladen.

Und dann… belegen wir drei große Waschmaschinen und Trockner für Klamotten, Bett- und Polsterbezüge.

Anschließend beginnen wir mit den nötigen Säuberungsarbeiten und den Reparaturen. Wir brauchen dafür drei Tage. Erst danach können wir uns dem Sightseeing widmen.

 

Die Nähmaschine an Bord ersetzt den Segelmacher

 

Wir bedanken uns ganz herzlich bei unserem Web- und Wettermann Gerald und entschuldigen uns für all die grauen Haare, die wir ihm beschert und die Sorgen, die wir ihm bereitet haben, zuletzt durch die mangelnde Abdeckung der Satelliten und dem dadurch bedingten 24-stündigen Ausfall des Sat-Telefons auf hoher See vor der Ankunft.

Und nun? Kurz vorm 30. Breitengrad sind wir vor Zyklonen einigermaßen sicher. Wir sitzen im Yachtclub bei Kaffee, Kuchen und Internet. Die Strapazen sind zwar nicht vergessen, aber doch schon weit weg.

So sind die Segler eben, irgendwie alle bekloppt…