Erst fing es ganz langsam an, aber dann… Solch ein Wetterfenster gibt es selten. Der stetige Nordwestwind wechselt in Portugal für eine knappe Woche und kommt aus südlichen Richtungen. Am nördlichen spanischen Teil der Iberischen Halbinsel ist ein Hoch und auf dem Atlantik ein Tief, das sich nordöstlich bewegt. Wenn wir am östlichen Rand dieses Tiefs mitfahren, würden wir auch bei mäßigem Wind über die Biscaya kommen. Wir sind uns einig. Diese Strategie könnte aufgehen. Klaus hat inzwischen auch ein herzliches Verhältnis für die „tierische“ Crew entwickelt und unterrichtet sie über unseren Plan. Hier folgt sein Bericht von der Seereise:
Pünktlich zum Niedrigwasser laufen wir in Oeiras/Lissabon aus. Bei einer leichten Brise geht es unter Motorkraft in der nicht enden wollenden Atlantik-Dünung Richtung Norden.
Der „Unterwasserwind“ bringt uns in vier Tagestörns über Peniche, Figueira da Foz und Porto zu unserem Absprunghafen Baiona.
Die ersten 240 Seemeilen mit spannenden Fluss-Einfahrten, Frühnebel, hohen Wellen und Strömungen sind geschafft. Das Schiff wird noch einmal überprüft. Ein Wackelkontakt im AIS-Kabel (Automatic Indentification System) wird repariert, 160 Liter Diesel sind an Bord und beide Wassertanks gefüllt. Auch Proviant ist für mehrere Tage an Bord. So gerüstet gehen wir die Biscaya-Überquerung an.
Ein Sturmtief hat inzwischen die Wellen auf 4-5 Meter aufgepeitscht und wir segeln/motoren in der abflauenden Phase hinter dem Tief hinterher. Große Delfinschulen begleiten uns zeitweise. Kap Fisterra (Nordwest-Spitze Spaniens) liegt zum Sonnenuntergang quer ab und die erste unruhige Nacht bricht an. Die Wachen sind jetzt auf je 4 Stunden aufgeteilt.
Die größte Motivation bei dem Schaukelkurs sind jeweils die Essenszeiten, die der Hobbykoch Reinhard in beeindruckender Weise mit vollem Einsatz unter Deck brutzelt. Selbst aus einfachen Zutaten zaubert er leckere Gerichte und fördert die Zufriedenheit an Bord.
Unsere automatische Steuerung hat dagegen in der Zwischenzeit nach mehr als sieben Dienstjahren aufgegeben und wir probieren mit der Hydrovane (Windselbststeueranlage) Entlastung zu bekommen, was auch zeitweise gut funktioniert.
In der Mitte der Biscaya hat sich hoher Luftdruck breit gemacht und ein Flautenloch gebildet. Es ist sonnig, angenehm warm und windstill, und dabei leert sich der Dieseltank immer mehr.
Plötzlich zeigt das Echolot nur noch 26m an. Eigentlich sollten es 4000m sein. Dann wird Findus weich angestoßen. Was ist das? Ein Wal, von denen schon einmal einer auf der Reise um die Welt die Findus im Pazifik bis zur Manöverierunfähigkeit beschädigt hat? Tatsächlich zeigt sich dann in kurzer Entfernung ein großer Wal und wir sehen sein Blasen. Kurze Zeit später noch einmal und viel dichter an unserem kleinen Segelboot. Wir stehen starr im Cockpit. Mystisch und unendlich schön endet dieser Tag, auch wenn ein paar Fragezeichen bleiben: Was wäre wenn…???
Wie wir später erfuhren, wurde viele Yachten von Walen sogar attackiert, was in einigen Fällen zur Seenot führte. Spanien erließ daraufhin ein Befahrensverbot für dieses Gebiet.
Die Nacht bricht ein und am nächsten Morgen wird das aus der Heimat mitgebrachte Satelliten Telefon aktiviert, um einen neuen Wetterbericht zu erhalten. Das Ergebnis zwingt uns den Kurs leicht zu ändern und nicht direkt in den englischen Kanal zu segeln. Eine neue Sturmfront kündigt sich an und selbst zum nahegelegenen Brest zu segeln wird eng. Der Motor läuft seit Stunden nicht mehr und wir quälen uns bei leichter Brise in diese Richtung. Den letzten Kanister Diesel füllen wir sicherheitshalber in den fast leeren Tank, denn für die Anfahrt und die Hafeneinfahrt brauchen wird diesen noch dringend.
In der vierten Nacht schiebt der Vorläufer der Starkwindfront die Findus nach Camaret sur Mer. Das ist ein kleiner netter Ort vor Brest. Starker Regen lässt die Leuchtfeuer verschwinden, Overfalls (aufeinander treffende Strömungen) wirbeln die Findus hin und her und der Starkwind vertreibt auch nicht die verdammte Müdigkeit. Das iPad -mit modernster Navigationsoftware- zeigt uns den Weg durch dieses mit Felsen gespickte Revier.
In diesen Momenten denke ich immer an die alten Seefahrer, die ohne diese modernen Hilfsmittel navigieren mussten und dabei oft Schiff und Leben verloren.
Der Hafen ist erreicht und unser Anlegemanöver um 04:00 Uhr wird durch einen freundlichen Franzosen unterstützt. Aufklaren, Luke zu, ein Drink und dann geht es ab in die Koje.
Roscoff ist der nächste Hafen. Ab jetzt müssen wir genau die enormen Tiden beachten, ansonsten wird es nichts mit den engen Passagen an der Küste. Phare du Chenal du Four, das berühmte Leuchtfeuer in der Nordwestbretagne, trotzt im englischen Kanal den Wellen und ist ein begehrtes Fotomotiv, insbesondere, wenn die Wellen über die Turmspitze spritzen.
Wetterbedingt folgen wieder drei Tage Pause. Das ist die Chance, den Autopiloten auszutauschen. Lieferzeit in Frankreich sind 8 Tage. Das ist zu lange. Da hilft nur der gute Kontakt zur Fa. On Yacht, Raymarine, Enßlin. Der Chef gibt alles, schickt das Paket per Express und nach 20 Std. liegt die funkelnagelneue Antriebseinheit für das Steuerrad im Hafenbüro. Solche Firmen sind einfach Klasse.
Danach steuert die Findus in Richtung Dunkerque. Bis dahin sind es ca. 300 sm. Da der Wind nicht zum Segeln auffordert, läuft der Yanmar unermüdlich. Und nach dem schönen Flutstrom kommt die Ernüchterung nördlich der englischen Kanalinsel Alderney, die wir bedingt durch Corona nicht anlaufen dürfen.
Es geht mächtiger Gegenstrom und der lässt uns 3 Stunden praktisch auf der Stelle stehen. Immer das gleiche Leuchtfeuer im Gesicht ist auch für mich als Tiden gewohnter Elbsegler nervig. Dazu kommen die Verwirbelungen, die bei nur 10 Grad Kursänderung so ein kleines Boot einfach nur umdrehen. So werden die gerade gewonnen 200 Meter wieder mehr als zunichte gemacht.
Aber, nach jeder Ebbe kommt die Flut. Die weitere Fahrt mit kurzem Zwischenstopp im Hafen von Fecamp ist problemlos. Ein Lotsenboot kommt bei der nächtlichen Ansteuerung kurz vor dem aufgewühlten Wasser in der Hafeneinfahrt von Fecamp auf uns zu gerast. Der Lotse warnt uns und ruft: „Full Speed“. Fünf Minuten später wissen wir warum. Gurgelnder Strom wirbelt in der doch engen Einfahrt und will uns wieder auf die See spülen. Doch der Yanmar-Diesel ist nun richtig in seinem Element und zeigt was in ihm steckt. Geschafft, anlegen, Diesel bunkern, ab auf einen freien Liegeplatz und Decke über den Kopf. Um 6 Uhr läuft die Flut und die nehmen wir gerne mit, auch wenn der Schlaf dabei mal wieder zu kurz kommt.
Nach 33 Stunden passieren wir den engsten Punkt vom englischen Kanal. Calais und Dover liegen gegenüber. Kurze Zeit später läuft Findus nachts bei mächtigem Querstrom in Dunkerque ein. Ein weiterer Starkwindtag bringt uns die gewünschte Pause mit allen Annehmlichkeiten.
Die Weiterfahrt nach Scheveningen verläuft problemlos und auch der Wind schiebt jetzt gut mit. Nach einer Schlafpause checken wir jetzt die Möglichkeiten ab, um zum letzten großen Schlag nach Hause zu starten. Weitere 240 sm mit zwei Nächten stehen uns bevor. Ja, es ist machbar, wenn auch mit viel Wind am ersten Tag. Die Abfahrtzeit legen wir auf 11:00 Uhr fest, um so mit der Flut in die Elbe einzulaufen.
Die Reise ist diesmal nass, es ist auch deutlich kälter geworden und Findus gibt sich alle Mühe den Zeitplan einzuhalten. Dabei macht die Hydrovane Windsteueranlage wie immer hervorragend ihren Job. Überkommende See lassen auch ein paar kleine Leckagen erkennen, aber die alte Dame schlägt sich wacker.
Dann hören wir einen Knall, nicht im Rumpf, sondern an Deck. Schnell ist klar, dass einige Drähte vom Bb-Unterwant, das den Mast stabilisiert, gerissen sind. Es hält aber insgesamt noch und wir sichern es so gut es geht mit Bordmitteln.
Es ist schließlich kaum zu glauben; mit nur 5 Minuten Verspätung zur geplanten Zeit geht es mit schiebendem Strom in die viel befahrene Elbe.
Reinhard übergibt mir das Ruder und ohne elektronische Navigationsunterstützung laufen wir mit Volldampf in mein Hausrevier nach Brunsbüttel. Dort ist jetzt Hochwasser und mit dem Scheinwerfer suchen wir nach den Reflektoren der Pricken in der Hafeneinfahrt. Dann geht die Maschine ein letztes Mal rückwärts und Findus steht in der Box. Die Festmacher sind danach schnell ausgebracht.
Reinhard und ich schauen uns an und fragen uns: „Ist es wirklich wahr?“ Ja es ist! 23 Tage, 17 Seetage mit 9 Nachtfahrten und insgesamt 1400sm liegen hinter uns.
Die Findus ist und bleibt zwar eine alte Dame, aber sie ist stabil, gutmütig und hat die Mannschaft über die Weltmeere befördert. Nicht viele Schiffe in dieser Größe können dieses auch nur annähernd.
Unsere Fahrt war anstrengend, aber unsere Erfahrungen machen da schon eine Menge aus. Seekrankheit ist zum Glück ein Fremdwort für uns und ich nehme mal wieder einiges Neue in meinen Erfahrungsschatz auf. Planung, Versorgung und Durchführung waren sehr gut. Danke Karen und Reinhard für die Einladung und das mir entgegen gebrachte Vertrauen. Danke auch an Antje (meine liebe Frau), die immer mit den Gedanken bei uns war.